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Geburten unter prekärsten Bedingungen – reproduktive Gesundheit in humanitären Krisen: Das «Mutter-Kind» Programm des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe

Schwangerschaften und Geburten finden auch in humanitären Krisen statt, oft unter prekärsten Bedingungen. In bewaffneten Konflikten oder bei Naturkatastrophen werden die Bedürfnisse im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit oft übersehen – mit erschütternden Folgen. Das Risiko lebensbedrohlicher Komplikationen steigt, wenn Schwangere keinen Zugang mehr zur medizinischen Versorgung haben, ebenso das Risiko ungewollter Schwangerschaften, wenn keine Verhütungsmittel zur Verfügung stehen. Zudem sind vor allem Frauen und Mädchen verstärkt sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt ausgesetzt, mit gravierenden Folgen.

Die parlamentarische Gruppe für sexuelle Gesundheit und Rechte des schweizerischen Parlaments widmete ihr Treffen in der Frühlingssession dem Thema reproduktive Gesundheit in humanitären Krisen. Martin Jaggi, Chef Stab Humanitäre Hilfe und Schweizerisches Korps für humanitäre Hilfe (SKH) der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (Deza), Olivier Hagon, Arzt und Leiter der Fachgruppe „Gesundheit“ des SKH und Chantal Abouchar, Hebamme an mehreren Einsätzen des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe, berichteten über ihre Erfahrungen, die Bedürfnisse vor Ort und das Engagement der Schweiz.

Die Expert*innen wiesen darauf hin, dass in den meisten katastrophengefährdeten Ländern, in denen sie tätig sind, 40-50% der Bevölkerung Mütter oder Kinder sind. Die Versorgung dieser besonders vulnerablen Bevölkerungsgruppe wird nicht nur oft übersehen – sie erfordert auch spezifische Kompetenzen und spezifisches Gesundheitsmaterial. Die humanitäre Hilfe der Schweiz hat ein spezielles Mutter-Kind-Programm entwickelt und bereits mehrfach eingesetzt, welches als erstes und bisher einziges solches von der WHO zertifiziert ist. Für die Umsetzung dieses Programms arbeitet die Schweiz unter anderem eng mit Fachpersonen des Gesundheitswesens vor Ort und mit UNFPA zusammen. Das Programm und der gesetzte Schwerpunkt auf Mütter und Kinder ist dringend nötig und müsste im Kontext humanitärer Krisen immer mitberücksichtigt werden.

Die Gesundheitsversorgung im Rahmen von Schwangerschaft und Geburt, aber auch die Verfügbarkeit von Informationen und Mitteln zur Familienplanung, die Unterstützung von Betroffenen sexualisierter Gewalt, die Prävention von HIV-Übertragungen ist in humanitären Krisen, aber auch in der Internationalen Zusammenarbeit insgesamt von entscheidender Bedeutung und muss einen prioritären Stellenwert im Engagement der Schweiz einnehmen.

Mit der Entwicklung des Programmes «Mutter-Kind» hat die Schweiz eine vertiefte Expertise aufgebaut. Angesichts aktueller humanitärer Krisen gilt es nun, dieses zu intensivieren und die dafür nötigen finanziellen Mittel zur Verfügung zu stellen.

In der Antwort auf eine parlamentarische Frage der Co-Präsidentin der parlamentarischen Gruppe für sexuelle Gesundheit und Rechte hat Bundesrat Ignazio Cassis bekräftigt:

Sexuelle Gewalt ist in Konfliktregionen ein weit verbreitetes Übel. Interventionen, die auf die Rechte im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit abzielen, auch in solchen Kontexten, sind für die Schweiz eine Priorität. Die DEZA unterstützt Nothilfeleistungen im Bereich der sexuellen und reproduktiven Gesundheit und zielt darauf ab, die Verfügbarkeit und Qualität von Schutzdiensten zu erhöhen, insbesondere für gefährdete Frauen.

Die neuen Prognosen in Bezug auf die IZA-Ausgaben der Schweiz sehen jedoch düster aus. Der Bundesrat hatte im Sommer 2023 den Entwurf der neuen Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 inklusive der entsprechenden Budgets veröffentlicht und in die Vernehmlassung gegeben. Für die IZA-Strategie 2025-28 sind 11,45 Milliarden Franken vorgesehen. Davon sollen 1,5 Milliarden Franken für die Unterstützung der Ukraine und 1,6 Milliarden Franken für die Bekämpfung des Klimawandels eingesetzt werden. Das bedeutet, dass trotz zusätzlicher Prioritäten kein zusätzliches Geld im neuen Budget enthalten ist.

Das letzte Wort wird das Schweizer Parlament haben. Die Parlamentarier*innen werden im Herbst über die neue Strategie der internationalen Zusammenarbeit 2025-2028 und den entsprechenden Budgets abstimmen. Die Ausgaben für die humanitäre Hilfe, einschliesslich des «Mutter und Kind» Programms des Schweizerischen Korps für humanitäre Hilfe (SKH), werden sowohl in der Strategie als auch in den Budgets enthalten sein. Eine breite Allianz von zivilgesellschaftlichen Organisationen, darunter auch SEXUELLE GESUNDHEIT SCHWEIZ, hat sich an der Vernehmlassung beteiligt und fordert eine schrittweise Erhöhung der öffentlichen Entwicklungshilfe (APD) auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens (ohne Asylkosten) bis 2028.

Originalartikel von Countdown Europe 2030